Karfreitag - ist Ruhe noch zeitgemäß?

Es gibt Diskussionen, die wiederholen sich in schöner Regelmäßigkeit wie der "Murmeltiertag". Dazu gehören die Debatten über die Sommerzeit, über "gute Vorsätze" zu Silvester, über verkaufsoffene Sonntage oder über die Karfreitagsruhe. Offenbar gibt es Menschen, denen ein Tag Ruhe im Jahr ein großer Dorn im Auge ist. Ganz davon abgesehen, dass ich Tage der Ruhe außerordentlich schätze, fällt es mir auf, dass wir die christlichen Feiertage derart selbstverständlich als frei verfügbare Tage in unseren Kalendern verankert haben, dass wir über den eigentlichen Hintergrund dieser sog. "Feiertage" nicht mehr nachdenken. Das geht mir genauso wie den anderen eher unreligiösen Menschen auch.


Mir persönlich sind all diese zusätzlichen freien Tage im Jahr trotzdem sehr lieb. Missen möchte ich sie nicht, obwohl mir bewusst ist, dass ich sie nicht in ihrem eigentlichen religiösen Sinn begehe. Ich nutze sie für mich in unterschiedlicher Weise: ich hänge z.B. einfach mal meinen Gedanken nach oder ich treffe mich mit Freunden, lese mal wieder ein Buch, höre Musik, gehe ins Theater oder oder oder. Ich verbringe diese Tage bewusst anders als die "Alltage". Es wäre gewiss auch möglich, dass ich an einem Karfreitag Lust dazu hätte, Tanzen zu gehen oder ein Rockkonzert zu besuchen. In diesem Fall würde allerdings der Respekt vor dem Ursprung dieses Tages verhindern, dass ich einem solchen Impuls Folge leistete.


Ruhe geben und Ruhe bewahren. Wir müssen nicht religiös sein, um aus der Ruhe Kraft zu schöpfen. Vieles in unserer Welt ist zurzeit in Un-Ruhe. Dabei müssen wir nicht einmal die großen Verwerfungen dieser Tage betrachten, um festzustellen, dass uns allen ein Innehalten ausgesprochen gut tun würde. Mir scheint, dass wir uns mehr und mehr fremd bestimmen lassen. Viele von uns hetzen geradezu durch ihr Leben, meinen dies erledigen und jenem gerecht werden zu müssen. Oft sind es Äußerlichkeiten, die wir zum Maßstab unserer Zufriedenheit erheben: die passende Frisur, der trainierte Körper, das neue Auto, die exklusive Reise, die Eins im Zeugnis der Kinder oder der perfekt gepflegte Vorgartenrasen. Aber auch die Angst davor, Entscheidendes im Leben zu verpassen, scheint vielen Menschen Schweißperlen auf die Stirn zu treiben. Ich merke es ja an mir selbst, wie oft ich an manchen Tagen auf mein Mobiltelefon schaue. An solchen Tagen versuche ich es dann, ganz bewusst innezuhalten... ...es fällt uns schwer - oder?


Gerade darum sollten wir Ruhe-Tage wie den Karfreitag nicht in Frage stellen. Auch dann nicht, wenn wir christliche "Festtage" nicht ihrem ursprünglichen Sinn entsprechend begehen können oder wollen. Anderen Ruhe gewähren und selbst Ruhe erfahren, das sollte immer zeitgemäß sein.