Die in den Tunnel blicken

Es ist unser gutes Recht, uns für unsere Interessen einzusetzen, auf Missstände aufmerksam zu machen, Dinge einzufordern, die uns wichtig sind, engagiert unsere Meinung zu vertreten und natürlich auch gemeinsam mit anderen zu demonstrieren. Dabei dürfen wir einseitig sein, emotional und bis zu einem gewissen Grad auch unsachlich. Nur gewalttätig dürfen wir nicht werden. Und jeder, der eine bestimmte Vorstellung hat, sollte nicht vergessen, dass in aller Regel "viele Wege nach Rom führen".

In den aktuellen Debatten über Klima- und Umweltschutz kommt es mir allerdings so vor, dass jede der verschiedenen Interessengruppen den einzig wahren und gangbaren Weg zu kennen meint und der Überzeugung ist, dass es andere Wege nicht geben kann oder darf. Dabei werden auch gern Analysen über Zusammenhänge und Wechselwirkungen vernachlässigt. Die Welt muss gerettet werden, koste es, was es wolle.

Das ist eine Situation, in der die verantwortlichen Politiker extrem gefordert sind. Leicht wäre es, sich zum Sprachrohr einer der vermeintlich einflussreichsten Interessengruppen zu machen, und mit Blick auf kommende Wahlen eingängige Lösungen zu versprechen. Schwerer ist es, ernsthaft, systematisch und unabhängig von populistischen Meinungen ein ausgewogenes Verhältnis von persönlicher Freiheit, Wohlstand, Sicherheit, Fortschritt und Umweltverträglichkeit anzustreben. Ob das neu geschaffene "Klimakabinett" diesem Anspruch gerecht werden kann und will, das bleibt abzuwarten. Zu wünschen ist es, denn die Zeit drängt, und viele Entwicklungen der letzten Jahre sind meines Erachtens viel zu sehr mit dem berühmten "Tunnelblick" vorangetrieben worden. Ich habe jedenfalls noch keine überzeugenden Antworten darauf bekommen, wie man ohne den Einsatz konventioneller Kraftwerke eine wirksame Grundlast erzeugen will. Ebenso wenig ist mir klar, warum wir so ausschließlich die sog. E-Mobilität fördern ohne technische Alternativen in Betracht zu ziehen. Wer den Herstellungs- und Entsorgungsprozess von Akkumulatoren und Batterien berücksichtigt, der kann aus meiner Sicht in der E-Mobilität nicht ernsthaft die umweltfreundliche Basis für das Verkehrskonzept der Zukunft sehen.

Christian Lindner hat recht, wenn er fordert, dass die Politik zwar die Klimaziele vorgeben muss, bei der Umsetzung aber viel stärker als bisher, Techniker und Ingenieure einzubinden hat. Es wäre fahrlässig, wenn wir vielversprechende technische Entwicklungen und kreative Lösungsansätze getrieben von ideologischer Verblendung oder lobbyistischer Hyperaktivität im Keim ersticken würden.

Kein Mensch, der politische Verantwortung trägt, darf zu tief in einen von einseitigen Interessen getriebenen Tunnel blicken. Es gilt, das Für und Wider verschiedener Optionen sorgsam abzuwägen und die Lösungen mit den größten Chancen und den geringsten Risiken anzustreben - zumindest in Deutschland, besser in Europa und der Welt.