#bittemalnachdenken

Die Aktion #allesdichtmachen von Schauspielern, die wir größtenteils aus Film und Fernsehen kennen, hat gestern mediale Aufmerksamkeit erregt. Es gab Beifall, es gab Empörung, es gab Zustimmung und Ablehnung. So weit, so üblich. Wie so oft bei derartigen Aktionen waren die Reaktionen darauf aufschlussreicher als die Aktion selbst. So wurde sie z.B. als "Katastrophe" und "Verhöhnung der Corona-Toten" bezeichnet. Auch wurde ihr vorgeworfen, dass sie Beifall von der "falschen Seite" ausgelöst hätte.

Einige der Darstellerinnen und Darsteller rechtfertigen sich, einige haben ihr Video wieder löschen lassen. Für mich wäre es interessant, zu erfahren, welche Beweggründe hinter Aktion und Reaktion stehen. Eines steht dabei für mich zweifelsfrei fest: die Aktion ist eine legitime kreative Auseinandersetzung mit einer unsäglichen Zeit, die viele absurde Erscheinungen, Entscheidungen und Erfahrungen mit sich bringt. Man kann die Aktion mögen, man kann sie schlecht finden oder man kann ihr gleichgültig gegenüberstehen. Eines kann man aber nicht: den Akteuren Zynismus vorwerfen, sie in die "rechte Ecke" stellen oder ihnen mit negativen Konsequenzen in ihrem Beruf drohen. Wenn es stimmt, dass, wie die Bild-Zeitung berichtet, Rundfunkräte Darstellern mit "Tatort-Verbot" drohen, dann sollte man diese Räte umgehend ihres Amtes entheben!

Es ist nicht das erste Mal, dass mir bewusst wird, wie wenig wir unsere Grundrechte achten. Immer dann, wenn jemand sagt "oh, das ist aber mutig, dass die oder der zu seiner Homosexualität steht" oder es sei mutig, Kritik gegenüber sog. Autoritäten zu äußern, dann wird mir klar, wie viele Baustellen wir noch auf dem Weg zur tatsächlichen Verwirklichung unserer Grundrechte haben. Unsere Verfassung bildet nicht unsere gelebte Realität ab, sie ist eine Vision, ein Auftrag an uns alle, diese formulierten Ziele zu erreichen. Und die Reaktionen auf die Aktion #allesdichtmachen zeigt einmal mehr, dass wir noch einen langen, steinigen Weg vor uns haben.