Müssen wir lokales Leid global teilen?

Unsere Nachrichtensendungen sind voll von negativen Meldungen. Das allein wirft die Frage auf, ob es wirklich keine positiven Nachrichten gibt, die des Berichtens wert wären. Aber es reicht offenbar nicht, über die Probleme und das Leid vor unseren Haustüren zu berichten, wir werden darüber hinaus ausgiebig über Amokläufe in den USA, über Zugunglücke in Taiwan, Überschwemmungen in China oder blutige Verbrechen rund um den Globus informiert.

Mir stellt sich die Frage, welches Ziel die Medien damit verfolgen, täglich derartige Schreckensmeldungen in perfekter Bild-und-Ton-Aufbereitung zu senden. Garantieren diese Meldungen hohe Einschaltquoten, weil die Zuschauer nach Katastrophen lechzen? Sollen wir immer wieder daran erinnert werden, wie deprimierend es in der Welt zugeht? Oder geht es einfach nur um einen "bunten, unterhaltsamen Mix" aus Blut und Elend in unserer Welt?

Welche Motivation auch immer dahintersteckt, dem geneigten Zuhörer und Zuschauer immer wieder die unterschiedlichen Grautöne der weltweiten Scheußlichkeiten zu präsentieren, mir ist das zu viel. Es überlastet mich und stumpft mich ab. Und ich denke, dass ich kein Einzelfall bin.

Es ist wichtig, informiert zu sein, Dinge zu erfahren, die direkt oder auch indirekt Einfluss auf das eigene Leben haben. Und es ist nicht immer leicht, diese Dinge abzugrenzen: eine Naturkatastrophe kann ebenso eine globale Bedeutung haben wie ein Bürgerkrieg oder der Zusammenbruch eines weltumspannenden Wirtschaftsunternehmens. Aber sowohl ein Zugunglück in Asien als auch ein Amoklauf in Russland oder den Vereinigten Staaten haben diesen Einfluss nicht. Daher wünsche ich mir bei diesen lokalen Leiderfahrungen mehr Zurückhaltung von unseren Medien. Ganz einfach darum, weil unsere Fähigkeit, mit zu fühlen und mit zu leiden endlich ist. Wenn wir diese Fähigkeit in uns aus Selbstschutz abschalten, dann sind wir auch nicht mehr empfänglich für das Leid und die Hilfsbedürftigkeit in unserer unmittelbaren Umgebung. Und das führt dann zu einer kalten, abgestumpften Gesellschaft. Wir sind auf dem besten Weg dahin.